Suchmaschinen liefern unzählige Synonyme für “phänomenal” – und jedes davon beschreibt Zhangjiajie perfekt: spektakulär, atemberaubend, einzigartig oder einfach nur „wow“.
Die Region ist voller Superlative: mit einer der größten Glasbodenbrücke, dem höchsten Außenaufzug und der längsten Seilbahn der Welt. Ein Ort, der selbst abgebrühte Reisende staunen lässt.
Planung und Anreise
„Nebensaison? Gibt’s nicht wirklich“, lachte unser Fahrer gleich bei der Abholung vom Bahnhof. Trotzdem gilt: Wer stundenlange Schlangen an Seilbahnen und Aussichtspunkten vermeiden will, sollte chinesische Feiertage wie das Frühlingsfest oder den 1. Mai meiden.
Zur Vorbereitung hatten wir uns mit YouTube-Videos, Reiseblogs und Kartenmaterial beschäftigt. Mein bisher eher skeptischer Blick auf Influencer hat sich dabei grundlegend geändert – ihre praktischen Tipps erwiesen sich als äußerst hilfreich.
Unsere Reiseroute
- 5 Tage Aufenthalt (1 Nacht in Zhangjiajie City, 3 Nächte in Wulingyuan nur 10 Gehminuten bis zum Osteingang des Nationalparks).
- Empfehlung: Mindestens 3 volle Tage für die Highlights:
- 2 Tage Nationalpark (absolutes Muss)
- ½ Tag Glasbodenbrücke
- ½ Tag Tianmenshan
- Bonus: Bei mehr Zeit lohnen sich die Huanglongdong Tropfsteinhöhle und der Baofeng-See
Wulingyuan: Zwischen Geisterstraße und Streetfood-Paradies
Die einst belebte Xibu Street in Wulingyuan (in alten Reiseführern noch gepriesen) wirkt heute, so die Mitarbeiterin des Hotels, wie ausgestorben – viele Läden überstanden die Pandemie nicht. Dafür pulsiert abends die Jundi Road: Uigurische Grillstände (erkennbar an den typischen Kopfbedeckungen), dampfende Töpfe mit lokalen Innereien-Spezialitäten (ein Geschmackserlebnis für Mutige!) und eine lebendige Atmosphäre, die Restaurantbesuche fast schon überflüssig macht.
Die Highlights im Detail
Die Glasbodenbrücke: Adrenalin mit Aussicht
Als Mensch mit ausgeprägter Höhenangst hatte ich zunächst starke Bedenken. Doch die Neugier auf dieses architektonische Wunderwerk siegte. Die 430 Meter lange Brücke in 260 Metern Höhe erwies sich als breit genug, um nicht in Panik zu verfallen – vorausgesetzt, man hielt sich von den Geländern fern. Der Geheimtipp: Die Besucherterrasse am Ende der Brücke bietet spektakuläre Fotoaussichten.
Die anschließende Wanderung durch den Canyon führte über ein kurzes Glasbodenstück an der Felswand entlang – eine echte Herausforderung für mich. Belohnt wurden wir mit einer malerischen Wegstrecke entlang eines Bergbaches, zwei spektakulären Außenaufzügen und der Option einer rasanten Rutschbahn oder Zipline ins Tal.
72 Qilou: Das magische Lichterhaus der Tujia
Das „72 Qilou“ (auch bekannt als „72 Strange Buildings“) ist kein gewöhnliches Gebäude – es ist ein 10-stöckiges Stelzenhaus der Tujia-Minderheit, das nachts in mystischem Licht erstrahlt. Mit 109,9 Metern Höhe hält es den Guinness-Weltrekord als höchstes Stelzenbauwerk der Welt.
Ab Einbruch der Dunkelheit beginnt eine farbige Illumination, die das Gebäude wie ein Märchenschloss wirken lässt. Fototipp: Stativ mitnehmen! Für scharfe Nachtaufnahmen ist es unverzichtbar. Nach einem Tag in den Bergen ist der abendliche Besuch ein entspannter Ausklang.
Tianmenshan: Berg der Extreme
Eigentlich wollten wir den Tianmenshan gleich am Ankunftstag besuchen, doch alle Tickets für die begehrte Route A waren bereits ausverkauft – und das drei Tage im Voraus! Ein Fehler, den ich anderen Reisenden ersparen möchte: Tickets für Route A mindestens 3–4 Tage vorher online buchen. Wir mussten umdisponieren und die Glasbodenbrücke vorziehen. Flexibilität ist hier klar von Vorteil.
Die Wahl der Route: A vs. B
Tianmenshan ist ein Berg der Superlative, und die Wahl der Route entscheidet über das gesamte Erlebnis.
Route A (die Königsroute):
Mit der längsten Seilbahn der Welt (7.455 m!) geht es direkt vom Stadtzentrum Zhangjiajies zum Gipfel. Oben angekommen, schlendert man über den Bergkamm mit atemberaubenden Aussichtsplattformen, bevor es zunächst über Rolltreppen zum Himmelstor hinab geht, gefolgt von 999 Stufen (oder Rolltreppen, zusätzliches Ticket erforderlich) zur Mittelstation. Eine zweite Seilbahn bringt einen zurück ins Tal.
Route B (Alternativroute, meist kurzfristig verfügbar):
Die Seilbahnfahrt geht nur bis zur Mittelstation, dann folgt der Aufstieg über 999 Stufen zum Himmelstor (oder per Rolltreppen, zusätzliches Ticket erforderlich). Anschließend per Rolltreppen zum Gipfelplateau.
Die Rückfahrt mit der Mega-Seilbahn ins Tal ist hier ein grandioser Abschluss!
Wir entschieden uns für Route B, was sich trotzdem als Glücksgriff erwies: Tickets für den Folgetag waren verfügbar und die lange Talfahrt mit der Seilbahn war ein atemberaubendes Finale!
Es gibt zwar noch eine Route C, die enthält aber nicht die lange Seilbahn und ist daher uninteressant.
Leider hatte es geregnet, sodass wir auf die Wanderung auf dem Gipfelplateau verzichteten.
Und auch wenn ich nicht alle Aussichten aufgrund meiner Höhenangst in vollen Zügen genießen konnte, war Tianmenshan ein Highlight. Der Blick vom unteren Plateau auf das Himmelstor und die Mega-Seilbahnfahrt – es fühlte sich an, als würde man über den Wolken schweben – waren jeden Cent wert.
Nationalpark Zhangjiajie: Wo Avatar Wirklichkeit wird
Unser Hotel in Wulingyuan skizzierte eine perfekte Zwei-Tage-Route – essenziell angesichts der Weite des Parks.
Das Ticket-System – Flexibilität für 4 Tage: Das Standard-Ticket gilt 4 Tage ab dem ersten Scan – perfekt für mehrere Besichtigungstage. Dabei gibt es zwei Varianten:
Basic-Ticket: Enthält 5 Fahrten mit Seilbahnen/Bailong-Aufzug (für 2-3 Tage meist ausreichend).
Premium-Ticket: Unbegrenzte Fahrten – ideal, wer viel hin- und herpendeln will.
Beim ersten Check-in wird am Eingang der Reisepass gescannt (unbedingt original mitnehmen, Kopien reichen nicht!). Ab dann funktionieren alle weiteren Ein- und Ausgänge per Gesichtserkennung – einfach an die Scanner treten, kurz warten, und schon öffnen sich die Drehkreuze.
Direkt am Eingang des Parks gibt es Sonnenhüte oder Regenjacken – je nach Wetter – sowie ältere Einheimische, die sich als Guides anbieten.
Am ersten Tag stand der südwestliche Teil des Parks mit dem Yellowstone Village (Huangshizhai) auf dem Programm mit einer Wanderung entlang des Gold Whip Streams (barrierefrei und wunderschön!).
Die oberen Pfade bieten atemberaubenden Aussichten, diese sind allerdings nicht barrierefrei.
Info für alle mit Höhenangst: Es gibt oft zwei parallele Wege, einen Sicherheitsweg mit Abstand zur Kante und einen Adrenalin-Pfad für Fotomutige.
Und noch ein Tipp: Essen nicht sichtbar herumtragen – sonst „konfiszieren“ Makaken-Affen blitzschnell den Proviant.
Am zweiten Tag ging es dann u.a. zu den Klassikern – zum Avatar Mountain und zum Bailong Elevator.
Die ikonisch schwebenden Berge (Inspiration für den Film Avatar) wirken surreal und wunderschön. Für ca. 100 RMB kann man dort (aber auch auf 2 bis 3 weiteren Plattformen) ein professionelles Drohnenvideo mit sich und dem Avatar Mountain kaufen – ein tolles Andenken und einmalige Erinnerung!
Der Bailong-Aufzug ist mit seinen 326 Meter der höchster Außenaufzug der Welt. Lange Wartezeiten sind hier unvermeidlich, aber ebenfalls ein Muss im Nationalpark.
Die Naturbrücke ließen wir wegen meiner Höhenangst aus – und weil es dort extrem voll war.
Am dritten und letzten Tag fuhren wir noch mit einem kleinen Besucherzug durch einen Teil des Parks – landschaftlich schön, mit Affenpark inklusive.
Ein kleiner Kulturvergleich: Wer meint, nur chinesische Männer oder Kinder verhalten sich rücksichtslos, hat noch keine koreanische Rentnergruppe beim Bus-Boarding erlebt. Da wird gedrängelt, was das Zeug hält. (LeserInnen mit Geburtsjahr vor 1990 erinnern sich vielleicht an den Ansturm auf die ersten Aldi-PCs…)
Extras: Höhlen, Seen und Filmkulissen
Die Yellow Dragon Höhle (Huanglongdong) beeindruckt mit bizarren Tropfsteinformationen, Lichtshows und einer Bootsfahrt im Inneren.
Auch am Baofeng-See gibt es eine Bootstour – moderiert von einer jungen Frau der Tujia-Minderheit, allerdings nur auf Chinesisch. Die Gesangseinlagen wirken auch ohne Sprachkenntnisse – trotzdem wäre eine Übersetzung hilfreich.
Apropos Tujia: Die lokale Minderheit, die die Region prägt, ist sehr herzlich und hilfsbereit – viele arbeiten im Park oder als Fahrer, Guides oder in der Gastronomie. Schön zu sehen, dass die Menschen aus der Region bevorzugt eingebunden werden.
Am See begegnet man außerdem einen über 100 Jahre alten Riesensalamander und eine Kulisse aus dem Kultfilm Journey to the West – den in China jedes Kind kennt.
Beides, Höhle und See, sind eher optional, aber lohnend, wenn Zeit ist.
Abschied mit einem Lächeln und ein Versprechen
Fünf Tage, unzählige Schritte und 85 km Wanderwege später blieben: atemberaubende Fotos, Erinnerungen an freche Affen und drängelnde Touristengruppen – und das Versprechen: „Wir kommen wieder.“